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Widerspruchslösung mit allen Freiheiten: Spezialisten informieren Politik zur Organspende
Statt professionell zu kochen verbringt Christian Wolfes viel Zeit bei der Dialyse. Der 60-Jährige wartet seit 8 Jahren auf ein Spenderorgan – wie 8.500 weitere Menschen in Deutschland. Die sogenannte Widerspruchslösung, bei der die Bürgerinnen und Bürger wie in vielen europäischen Nachbarländern der Organspende widersprechen müssen, könnte die Lösung des Problems sein. Bundestagsabgeordnete Dr. Wiebke Esdar aus Bielefeld und Bielefelds Sozialdezernent Ingo Nürnberger haben das PHV Dialysezentrum in Bethel besucht, um mit Betroffenen und Spezialisten ins Gespräch zu kommen.
v.l.n.r. Ingo Nürnberger und Wiebke Esdar im Gespräch mit Dr. Mariam Abu-Tair und Patient Christian Wolfes, der seit acht Jahren auf eine Spenderniere wartet. Foto: Manuel Bünemann
Bei Christian Wolfes übernimmt ein Gerät die Aufgabe der Nieren und reinigt sein Blut. Dreimal pro Woche ist er dafür mehrere Stunden im Dialysezentrum. „Ich könnte in der Zeit viel Gutes tun“, sinniert er. Aber: „Dialysepatient zu sein ist ein Full-Time-Job. Wer auf die Warteliste will, muss viele Voraussetzungen erfüllen und benötigt Bescheinigungen von unterschiedlichen Fachärzten.“ Wie ihm geht es in Deutschland etwa 8.500 Menschen, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Doch 2022 gab es nur 869 Organspenderinnen und -spender.
„Ein Spenderorgan hilft den Betroffenen enorm“, erklärt die Nierenspezialistin Dr. Mariam Abu-Tair, Leitende Ärztin im PHV Dialysezentrum. „Patientinnen und Patienten, die ein Nierenersatzverfahren benötigen, werden zwar jahrelang behandelt, aber es geht ihnen nicht immer besser“, erklärt die Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie, die auch Leitende Ärztin der Nephrologie und Diabetologie im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) ist und dort Patienten behandelt, die akute stationäre Versorgung benötigen. Auch für ein geordnetes Berufsleben der Betroffenen wäre ein Spenderorgan sehr wertvoll. „Und wenn nach acht bis zehn Jahren Wartezeit ein Spenderorgan zur Verfügung steht, kommt das sogar oftmals aus dem europäischen Ausland, wo es die Widerspruchslösung gibt und deutlich mehr Organe gespendet werden als in Deutschland“. Ihr Appell an die Besucher aus der Politik: „Wir brauchen in Deutschland endlich die Widerspruchslösung!“. Und abseits vom Thema Organspenden gibt sie ihnen mit auf den Weg: „Durch gezielte Untersuchungen wie zum Beispiel der Bestimmung der Eiweißausscheidung im Urin könnte eine Behandlungsnotwendigkeit erkannt und bei vielen Menschen frühzeitig ein Fortschreiten von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen gestoppt werden.“
Dr. Friedhelm Bach ist hauptamtlicher transplantationsbeauftragter Arzt im EvKB. Er kennt Menschen, die sich nach Jahren des Wartens von der Warteliste streichen lassen, weil sie das Warten seelisch nicht mehr aushalten. Bach ist es ein Anliegen, dass sich die Menschen aktiv entscheiden – für oder gegen die Organspende. Denn nicht selten sieht er, dass die Entscheidung Angehörigen aufgebürdet wird, in einer Situation, die ohnehin seelisch extrem aufwühlend ist. Auch deshalb setzt er sich für die Widerspruchslösung ein, und dafür, dass in den Familien über das Thema gesprochen wird. „Die Widerspruchslösung beschränkt nicht die Freiheit. Man kann Ja und Nein sagen“, so der erfahrene Intensivmediziner.
Dr. Wiebke Esdar ist Befürworterin für die Widerspruchslösung und setzt sich in der aktuellen Bundestagsdebatte vehement für diese ein. „Wir haben in der Politik die Aufgabe, eine Lösung zu formulieren, die diejenigen schützt, die nicht selbst widersprechen können“, sagt Esdar. Ingo Nürnberger will in Bielefeld helfen, Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Religion durch Information und Vernetzung zu einer Entscheidung zu bewegen. „Kämpfen Sie weiter!“, ermutigt Wiebke Esdar den Patienten Christian Wolfes, der seine heutige Dialyseeinheit in wenigen Minuten hinter sich haben wird. „Wir kämpfen an anderer Stelle für Sie.“
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