Schmerzfreier Abschied: Chronische Nierenerkrankungen entwickeln sich leise, langsam und oftmals unbemerkt
Etwa acht Millionen Menschen leiden in Deutschland unter einer chronischen Nierenkrankheit. 8.000 von ihnen benötigen eine Nierentransplantation. Neben der maschinellen Blutwäsche gibt es ein weiteres komfortables Nierenersatzverfahren, das zu Hause angewandt werden kann.
Das Klinikforum gestalteten (v.l.) Dr. med. Burkhard Feidicker, Prof. Dr. med. Günther Wittenberg, Dr. med. Mariam Abu-Tair und Moderator Peter Stuckhard
Betrachtet man die technischen Eckdaten der Nieren, so kann man locker von einem Hochleistungsorgan sprechen. „300 Mal filtern sie pro Tag unser Blut und reinigen damit 1800 Liter Blut von Giftstoffen. Das entspricht täglich 15 Badewannen.“ Dr. Mariam Abu-Tair versetzt das Publikum in der Ravensberger Spinnerei, das zum Klinikforum des Evangelischen Klinikums Bethel gekommen war, ins Staunen. Die leitende Ärztin der Abteilung für Nephrologie und Diabetologie im EvKB, informierte zum Einstieg in das Thema „Meine Niere versagt“, anschaulich über die Arbeit, die die Nieren tagtäglich leisten. „Sie produzieren Harn, sie regulieren den Blutdruck, sie sorgen für einen ausgeglichenen Salz-Wasserhaushalt, und sie produzieren Hormone, die zur Produktion von roten Blutkörperchen wichtig sind.“
Nieren sind das zentrale Klärwerk, das im Stoffwechsel des Körpers jede Menge zu tun hat. Wenn es in diesem System zu einem Funktionsabfall oder gar -ausfall kommt, hat das weitreichende Folgen. Das Problem ist nur, Nieren werden langsam und still krank. Symptome wie Müdigkeit oder Appetitlosigkeit werden im Anfangsstadium nicht eindeutig den Nieren zugeordnet. Nieren drängen sich in der Diagnostik nicht auf, sie müssen „mitgedacht“ werden.
Häufige Ursachen für chronisches Nierenversagen sind Diabetes mellitus und Bluthochdruck, chronische Nierenentzündungen, Autoimmunerkrankungen oder Infektionen. Um einem schleichenden Nierenfunktionsabfall auf den Grund zu kommen, ist neben der körperlichen Untersuchung vor allem eine Blut- und Urinuntersuchung notwendig, um an Laborwerten herauszufiltern, wo die Nieren nicht mehr arbeiten.
„Für eine optimale Therapie muss beispielsweise der Blutzucker und auch der Blutdruck optimal eingestellt werden. Wir wollen ja die Funktionen der Nieren so lange wie möglich erhalten“, erklärt die Nierenspezialisten Mariam Abu-Tair. „Wenn die Nierentätigkeit jedoch massiv abnimmt, müssen wir mit einem der unterschiedliche Nierenersatzverfahren behandeln.“ Am bekanntesten ist sicherlich die Blutwäsche an einer Dialyse-Maschine. „Das ist die Blutreinigung außerhalb des Körpers über einen Filter. Es dauert einige Stunden. Der Patient hat 4 dialysefreie Tage“, erklärt Dr. Abu-Tair.
Dialyse per Shunt
Um die Dialyse regelmäßig machen zu können, ist es von Vorteil, einen ständigen Zugang zu den Blutgefäßen zu legen, also eine Schnittstelle zwischen der Blutbahn im Körper und der Dialyse-Einheit zu schaffen. Dr. Burkhard Feidicker, Chefarzt der Klinik für Gefäßmedizin: „Diese Schnittstelle nennt man Shunt, der eine Querverbindung zwischen einer Schlagader (Arterie) und einer Vene bildet. Es ist ein kurzer Eingriff, in dem allerdings viel passiert, denn in der Schlagader liegt ein höherer Blutdruck vor als in der Vene. Dieser Druck führt zu einer Aufdehnung der Vene, die Venenwand verdickt sich, so dass diese leicht durchstochen (punktiert) werden kann. Dadurch ist ein einfacher Zugang für die Dialyse möglich und ein ausreichender Blutfluss während der Dialyse gesichert.“
Nur einfach ist eine Shuntoperation nicht. Bundesweit funktionieren 30 Prozent der Shunts nicht störungsfrei. „Das hat sehr unterschiedliche Gründe. Die Gefäßsituation ist bei jedem Menschen anders. Auch ein Shunt kann sich zum Beispiel zusetzen und damit Engstellen entwickeln. Da er für die Dialysepatienten die Lebensader ist, müssen wir schnell handeln und ihn aufweiten“, erklärt Prof. Dr. Günther Wittenberg, Chefarzt des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie und Kinderradiologie, der vor allem dann ins Spiel kommt, wenn die Gefäße Probleme machen.
Die optimale Behandlung von nierenkranken Patienten kann nur durch die enge Zusammenarbeit der Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten in den Bereichen Dialyse, Shunt-Anlagen und Shunt-Korrekturen funktionieren. Deshalb ist das zertifizierte überregionalen Shunt-Referenzzentrum im EvKB eine wichtige Anlaufstelle.
Dialyse übers Bauchfell
Ein weiteres aber weniger bekanntes gutes Nierenersatzverfahren trägt den Fachbegriff Peritonealdialyse bei der das Blut im Inneren gereinigt wird. Bei diesem Verfahren wird das Blut im eigenen Körper und nicht von einer Maschine gereinigt. Als Filter dient das Bauchfell (Peritoneum). „Wer dafür geeignet ist, hat viele Vorteile. Diese Methode kann unabhängig von der Gefäßsituation gemacht werden. Man braucht keine Blutverdünnung im Vergleich zur Dialyse, die Nierenrestfunktion wird besser erhalten und man hat eine größere Flexibilität. Allerdings hat man auch gleich mehr Eigenverantwortung.“
Dr. Mariam Abu-Tair hat etliche Patientinnen und Patienten, die von diesem Nierenersatzverfahren begeistert sind. „Kinder und Jugendliche, berufstätige Menschen oder auch ältere Menschen mit Familienanschluss, Patienten mit einer schwierigen Gefäßsituation, HIV-Patienten oder Patienten mit einer Leberzirrhose profitieren von diesem Verfahren.“
In einer kleinen Operation erhält der Patient einen fest implantierten Katheter in die Bauchhöhle. Darüber werden etwa zwei Liter spezielle Spülflüssigkeit in die Bauchhöhle eingebracht und nach einigen Stunden gegen neue Flüssigkeit ausgetauscht. Die harnpflichtigen Substanzen wandern aus den Blutgefäßen in die Spüllösung und können so aus dem Körper entfernt werden.
Transplantation
Schlussendlich gibt es noch die Möglichkeit, eine gespendete Niere transplantiert zu bekommen. Aktuell warten rund 8000 Patienten in Deutschland auf diese Möglichkeit, die durchschnittliche Wartezeit beträgt sechs Jahre. Für eine Transplantation ist jeder Dialysepatient geeignet, der so einen tiefgreifenden Eingriff in sein Leben aushalten kann, denn die seelischen wie die körperlichen Belastungen sind enorm.
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