Endometriose – Extreme Schmerzen sind nicht die Regel
Expertenteam des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB) war beim Livestream des Klinikforums zum Thema „Endometriose“ sehr gefragt. Mit Video
Endometriose ist eine der häufigsten Erkrankungen von Frauen weltweit und häufig spät entdeckt. Kurz umrissen wächst bei der Endometriose Gebärmuttergewebe, das an sich nur in der Gebärmutter (Endometrium) vorkommen sollte, an Stellen, wo es nicht hingehört. Warum das so ist, dazu gibt es keine eindeutige Forschungslage, nur zahlreiche Theorien.
Im Alltag vieler Frauen kann Endometriose mächtig Probleme machen. „Es gibt Frauen, die eine Endometriose haben, es gar nicht wissen und vor allen Dingen über keinerlei Beschwerden klagen. Dann muss man die Erkrankung nicht behandeln“, erklärt Professorin Constanze Banz-Jansen, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im EvKB. „Im Gegensatz dazu gibt es sehr viele Frauen, die auch nicht wissen, dass sie eine Endometriose haben, aber deren Schmerzen kurz vor und während der Regel fast unerträglich sind. Sie müssen sich übergeben, fallen in Ohnmacht, leiden unter massiven Schmerzen auch beim Geschlechtsverkehr. Darüberhinaus ist nachgewiesen, dass der Anteil der Frauen mit Endometriose, die ihren Kinderwunsch nicht erfüllen können, sehr hoch ist. Es ist also keine Erkrankung, die auf die leichte Schulter zu nehmen ist.“ Wie schwer die Symptome eine Frau treffen, hängt nicht davon ab, wie groß die Menge des Gewebes an den falschen Stellen ist. Einige Frauen mit großen Endometriosenherden haben gar keine Probleme, andere mit kleinen Mengen krümmen sich vor Schmerzen.
„Diese Beschwerden gehen über heftige Regelschmerzen weithinaus. Die Frauen sind außer Gefecht gesetzt. Während der Regel bluten die Endometrioseherde, die außerhalb der Gebärmutter wachsen, denn sie unterliegen dem Zyklus. Ständige Müdigkeit, im Fachausdruck Fatique, ist ein weiteres Symptom. Diese Grunderschöpfung geht durch ein paar Mal ausschlafen nicht weg, sondern beeinflusst deutlich die Lebensqualität.“
Darüberhinaus zeigt sich bei der Suche nach den Schmerzursachen, dass Endometrioseherde manches mal gut versteckt und damit bei gynäkologischen Untersuchungen kaum zu entdecken sind. „Leider entwickelt sich dadurch für viele Frauen ein enorm langer Leidensweg. Wir haben in Deutschland rund 1,2 Millionen betroffenen Frauen und rund 40.000 Neuerkrankungen im Jahr. Allein 20.000 Patientinnen werden jährlich ins Krankenhaus eingewiesen“, so die Chefärztin in ihrem Impulsvortrag, in dem sie deutlich machte, dass Frauen bis zur Diagnose oft sechs Jahre und mehr mit heftigsten Schmerzen verbringen. „Nur eine eingehende Untersuchung bringt Aufschluss. Allein im Gespräch erfahren wir, wo die Schmerzen in welcher Intensität sind und wie stark der Alltag beeinflusst wird. Anschließend machen wir eine umfassende Untersuchung, bei der wir vorsichtig ertasten können, ob andere Organe betroffen sind. Wir arbeiten bei der Diagnosefindung auch mit Ultraschall. Leider erkennen wir bei einer Ultraschalluntersuchung nicht lückenlos, wo sich Endometrioseherde befinden. Und um ganz sicher zu gehen nutzen wir eine Laparoskopie, also eine Bauchspiegelung. Sie wird in Vollnarkose durchgeführt.“
Video: Das Klinikforum zum Thema Endometriose in voller Länge
„Wir können diesen Eingriff zur Untersuchung auch gleichzeitig zur Behandlung nutzen und Endometrioseherde entfernen. Bei dieser Erkrankung ist die Bauchspiegelung der sogenannte Goldstandard, also die Therapie der ersten Wahl“, erklärt Oberarzt Ali Alhamwi, der in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe unter anderem eine Endometriose-Sprechstunde anbietet. „In schweren Fällen sind auch andere Organe wie die Harnblase oder der Darm von einer Endometriose mitbetroffen, dann arbeiten wir bei dieser schonenden Operationsmethode interdisziplinär mit Fachkollegen zum Beispiel aus der Urologie oder der Gastroenterologie zusammen.“
Die Bauchspiegelung ist nur ein Therapieangebot, um Frauen mit Endometriose zu helfen. Weitere Möglichkeiten bieten medikamentöse Ansätze. Schmerzmittel und hormonelle Wirkstoffe helfen, die starken Schmerzen zu lindern. „Wir müssen für jede betroffene Frau die richtige Therapie finden, denn es ist ja entscheidend, in welcher Lebensphase die Frauen sind“, so Alhamwi. Ein Beispiel macht die Situation deutlich: „Endometriose ist eine Erkrankung, die bereits bei jungen Frauen auftreten kann. Eine hormonelle Behandlung, die die körpereigene Hormonproduktion und damit auch die Monatsblutung unterdrückt, passt nicht, wenn die Frauen schwanger werden möchten. Hinzukommt, dass bei hormonellen Therapien die Präparate regelmäßig eingenommen werden müssen. Zusätzlich haben einige Medikamente aus bestimmten Wirkstoffgruppen deutliche Nebenwirkungen. Sie können die Endometrioseschmerzen zwar lindern, gleichzeitig kommt es aber zu anderen Beschwerden.“
Eine zuverlässige Pauschallösung gibt es für die Erkrankung Endometriose nicht. Methoden aus der komplementären Medizin oder Entspannungsverfahren sind weitere Möglichkeiten, sich etwas Gutes zu tun, auch wenn es keine verlässlichen Nachweise gibt, dass sie Endometriosebeschwerden lindern können. „Wir müssen leider immer sagen, dass eine Endometriose sehr hartnäckig ist und wiederkehren kann, ganz egal für welche Therapieform sich die Frau entscheidet.“
Das Klinikforum des EvKB im Rahmen des NW-Treffs findet seit einigen Monaten wegen der Beschränkungen durch die Corona-Krise im Internet statt. So haben Patientinnen, Patienten und Interessierten die Möglichkeit, Expertenteams aus unterschiedlichen Fachrichtungen zu konkreten Gesundheitsthemen Fragen zu stellen. Im jüngsten Klinikforum online ging es um das Thema Endometriose. Das Interesse am Livestream mit Professorin Dr. Constanze Banz-Jansen, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im EvKB und Ali Alhamwi, Oberarzt in der gleichen Klinik, war überwältigend und zeigte, wie viele Frauen betroffen sind.
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Endometriose-Behandlung in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im EvKB
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