Bielefelder ENDEMIC-Studie erhält zwei Millionen Euro Förderung
Untersucht werden Auswirkungen von Biodiversität auf Gesundheit von Kindern
Univ.-Prof. Dr. Eckard Hamelmann und Dr. Patricia Maasjosthusmann forschen zum Mikrobiom und wie sich Einflüsse aus der Umwelt aus chronische Krankheiten auswirken. Foto: Susanne Freitag
Zum Spielen in den Wald, in den Garten – oder doch lieber ins Kinderzimmer? Viele Kinder wachsen in städtischen Umgebungen auf und verbringen weniger Zeit in der Natur als Kinder früher. Zugleich steigen die Zahlen chronischer Erkrankungen bei Kindern stetig an, darunter Asthma, Allergien oder ADHS. Die ENDEMIC-Studie unter der Leitung von Eckard Hamelmann, Professor für Kinderheilkunde an der Universität Bielefeld und Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel, untersucht, wie diese Entwicklungen zusammenhängen könnten und ob eine größere biologische Vielfalt in der Umgebung von Kindern deren Gesundheit positiv beeinflussen kann.
Das Ziel ist es, herauszufinden, ob eine Umgebung, in der viele verschiedene Arten von Mikroorganismen leben, das Mikrobiom und damit auch das Immunsystem von Kindern langfristig stärken kann. Die Forschenden hoffen, neue Ansätze zu entwickeln, um chronische Krankheiten wie Allergien, Autoimmunerkrankungen und ADHS besser vorbeugen zu können. Beteiligt sind neben der Universität Bielefeld das Klinikum Bielefeld, das Evangelische Klinikum Bethel, die Universi-tät Maastricht, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) in Berlin, die Charité Universitätsmedizin in Berlin, das Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Bonn, die Biologische Station Gütersloh/Bielefeld, die Sander Strohmann GmbH und die Kindergesundheitsstudie „Kleine Eulen OWL“.
„Unser Mikrobiom, also die Vielzahl der Mikroorganismen, die uns besiedeln, spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit“, sagt Dr. Patricia Maasjosthusmann, wissenschaftliche Leiterin der Studie und Leiterin der Forschungsabteilung am Evangelischen Klinikum Bethel. „Wir möchten herausfinden, inwiefern eine artenreiche Umgebung das Mikrobiom von Kindern beeinflusst und womöglich helfen kann, Krankheiten vorzubeugen.“
Methoden, die das Unsichtbare sichtbar machen
Es gibt Hinweise darauf, dass der Rückgang der Artenvielfalt insbesondere in städtischen Gebieten mit einem Anstieg chronischer Erkrankungen in Zusammenhang stehen könnte. „Wir sprechen dabei auch von einem stillen Artensterben, weil es nicht sichtbar stattfindet“, sagt die Wissenschaftlerin. „Generationenvergleiche zeigen aber, dass viele Arten verschwinden.“ So hätten im Vergleich etwa die meisten Großmütter ein deutlich vielseitigeres Mikrobiom als ihre Kinder, die wiederum artenreicher besiedelt seien als die Enkelkinder.
In einem ersten Teil der Untersuchung bestimmt das Team der ENDEMIC-Studie mit einer Strukturanalyse die Artenvielfalt der Mikroorganismen in einem bestimmten Gebiet. „Wir nehmen Proben aus den Umgebungen von Kindern, sei es aus Gärten, dem Wald, Kindergärten oder Wohnzimmern“, sagt die Wissenschaftlerin. „Diese Proben helfen uns, die Vielfalt der Organismen zu verstehen, die diese Lebensräume prägen.“ Damit soll auch das Potenzial der jeweiligen Umgebung mit Blick auf die Biodiversität deutlich werden.
Mit Gensequenzierungen können die Forschenden die DNA in diesen Proben analysieren und damit bestimmen, welche Mikroorganismen jeweils in einer bestimmten Umgebung vorkommen. „Wir hoffen, dass wir dadurch langfristig nachvollziehen können, wie diese Organismen mit dem Mikrobiom der Kinder interagieren und welche Auswirkungen das auf ihre Gesundheit hat.“
Kinder spielen in Naturgruppen
In der zweiten Phase der ENDEMIC-Studie, die mit zwei Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, stehen Naturspielgruppen im Mittelpunkt. In diesen Gruppen spielen rund 30 bis 40 Kleinkinder im Alter von anderthalb bis zwei Jahren regelmäßig im Wald. Sie erkunden Böden, Pflanzen und andere natürliche Materialien – alles unter wissenschaftlicher Beobachtung.
Die beteiligten Kinder stammen aus den beiden Bielefelder Kliniken. Ihre Daten werden mit einer Vergleichsgruppe abgeglichen, die nicht an der Waldgruppe teilnimmt. Die Forschenden wollen dadurch herausfinden, wie diese Naturerfahrungen konkret das Mikrobiom und das Immunsystem der Kinder stärken können.
Langfristige Ansätze für eine bessere Gesundheit
Das langfristige Ziel der ENDEMIC-Studie ist es, die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung umzusetzen. „Es geht dabei nicht nur darum, Empfehlungen für Familien zu entwickeln, sondern auch Hinweise beispielsweise für die Stadt- und Landschaftsplanung zu entwickeln“, sagt Professor Dr. Eckard Hamelmann, der seit Jahren intensiv zum menschlichen Mikrobiom und seinen Auswirkungen auf die Gesundheit forscht.
In die Studie fließt darüber hinaus auch mit ein, wie das Mikrobiom von Kindern durch äußere Faktoren wie Ernährung, Antibiotika oder den Kontakt mit Haustieren beeinflusst wird. „Diese Erkenntnisse könnten in Summe zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze führen, die das Mikrobiom gezielt unterstützen – etwa durch probiotische Mittel oder spezielle Hautpflegeprodukte“, sagt der Studienleiter. „Besonders bei kleinen Kindern, deren Immunsystem noch in der Entwicklung ist, haben wir die Chance, durch gezielte Maßnahmen einen positiven Einfluss zu nehmen.“
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