Aktionstag Glücksspielsucht: „Die Gewinner sitzen auf der anderen Seite“
Anlässlich des bundesweiten Aktionstages gegen Glücksspielsucht am 24. September warnt Frank Gauls, Leiter der Ambulanten Suchthilfe Bethel, vor den Risiken der Sucht und erklärt, wie es die meisten Betroffenen mit Hilfe schaffen, sie hinter sich zu lassen.


Frank Gauls, Leiter der Ambulanten Suchthilfe im Evangelischen Klinikum Bethel. Foto: Christian Weische
Rund 4,6 Millionen Erwachsene in Deutschland sind laut aktuellem Glücksspielatlas spielsüchtig oder zeigen Anzeichen für eine Spielsucht. „Wer Pech hat, gewinnt am Anfang“, erläutert Frank Gauls den typischen Beginn einer „Spielerkarriere“. Anfänglich könne häufig die Aussicht auf Gewinne den Reiz ausmachen, im weiteren Verlauf könne es die Motivation sein, verlorenes Geld zurückzugewinnen oder sich durch den „Kick“ beim Zocken von den dadurch entstandenen Problemen abzulenken.
„Typische Folgen der Glücksspielsucht sind hohe Schulden“, erklärt er. Denn wer häufig spiele, könne sich darauf verlassen, „dass die Gewinner im ‚System Glücksspiel‘ dauerhaft auf der anderen Seite sitzen“. Lange Zeit wurde überwiegend am Automaten gespielt, „heute dominieren die Online-Spiele und führen durch ihre ständige Verfügbarkeit zu steigenden Zahlen“, sagt Frank Gauls, der sich seit 38 Jahren beruflich und auf der gesellschaftlich-politischen Ebene für die Hilfe Betroffener engagiert.
Glücksspielsüchtige vernachlässigten häufig ihre Hobbys, ihre Familie oder die Arbeit. Das „Spielgeld“ beschafften sie sich oft auch illegal und verstrickten sich in ein Netz aus Lügen, um ihre Sucht zu verheimlichen. „Außerdem verzeichnen wir bei den Betroffenen die höchsten Suizidraten im Suchtbereich.“
Zwar seien im Glücksspielstaatsvertrag Maßnahmen zum Spielerschutz wie die Möglichkeit zur Sperrung oder zur Limitierung des Einsatzes vorgesehen. „Doch die Kontrollen sind unzureichend und können zum Beispiel mit einem falschen Ausweis umgangen werden.“ Bei den Glücksspielsüchtigen handele es sich zu rund 90 Prozent um Männer. Mit betroffen sei häufig die ganze Familie und das soziale Umfeld.
Eine Sucht erkennen könnten Angehörige am permanenten Geldmangel und sollten einen etwaigen Verdacht offen ansprechen. Auch sie können Unterstützung bei der Ambulanten Suchthilfe Bethel bekommen. Die Einrichtung gehört zur Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Evangelischen Klinikum Bethel. Betroffene, die häufig Schamgefühle quälten, suchten meist erst dann Hilfe, wenn sich die Sucht nicht mehr verheimlichen lasse und zum Beispiel Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können.
„Spielsucht ist eine anerkannte Krankheit, die sehr gut behandelt werden kann“, ermutigt Frank Gauls, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn mit Unterstützung sei es viel leichter, oft über Jahre aufgebaute Muster dauerhaft zu durchbrechen. Sein vierköpfiges Team hat den Überblick und den Zugang zu Hilfsangeboten, die von der Selbsthilfe über ambulante und stationäre Settings sowie Kombinationen reichten. „Zwei Drittel der Betroffenen können die Sucht hinter sich lassen“, fasst er zusammen.
Hintergrund
Mit der Glücksspielsucht einher gehen auch gesamtgesellschaftliche Folgen wie Überschuldung, Arbeitslosigkeit und die Gefährdung von UN-Nachhaltigkeitszielen in Bereichen wie Gesundheit, Armutsbekämpfung oder sozialer Teilhabe und Bildung. Vor diesem Hintergrund lautet das Schwerpunktthema des diesjährigen bundesweiten Aktionstages „Glücksspielschäden – erkennen, benennen, vermeiden“.
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
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