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Gedanken fließen in eine Richtung statt in Schleifen: Neue Studie entschlüsselt Verschaltung in menschlicher Hirnrinde
Entgegen bisherigen Annahmen sind Nervenzellen in der menschlichen Großhirnrinde anders verschaltet als bei der Maus. Die Informationsverarbeitung des Menschen funktioniert deshalb anders als in der Hirnforschung bislang angenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die jetzt im Fachmagazin Science erschienen ist. An der Studie beteiligt waren auch Forscher der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB).
An der Studie beteiligt: Prof. Dr. Matthias Simon und Dr. Thilo Kalbhenn, Leitender Arzt der Epilepsiechirurgie. Foto: Mario Haase
In der Hirnrinde, also in der äußersten Schicht unseres Gehirns, planen und steuern wir Handlungen; hier sitzt wahrscheinlich unser Bewusstsein. In der menschlichen Großhirnrinde sind etwa zwanzig Milliarden Nervenzellen ständig mit diesen Aufgaben beschäftigt. Wie gelingt es den Nervenzellen, diese komplexen Informationen zu verarbeiten? Das hängt maßgeblich davon ab, wie die Zellen miteinander verschaltet sind.
„Unser bisheriges Verständnis der neuronalen Architektur in der Großhirnrinde basiert größtenteils auf Erkenntnissen, die an Tiermodellen wie der Maus gewonnen wurden“, erklärt Prof. Jörg Geiger, Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Charité und Leiter der Studie. „Bei ihnen kommunizieren die benachbarten Nervenzellen häufig wie in einem wechselseitigen Dialog miteinander, ein Neuron funkt ein anderes an und dieses sendet wieder ein Signal zurück. Dadurch fließen die Informationen oft in Schleifen.“
Für diese Studie wurde Hirngewebe von 32 Patienten untersucht, die wegen einer Epilepsie oder eines Gehirntumors an der Charité oder am EvKB neurochirurgisch operiert werden mussten. Die Patientinnen und Patienten hatten der Nutzung ihres Gewebes für die Forschung vorher zugestimmt. „Die Epilepsiechirurgie bietet sich für diese Forschung besonders an, weil im Zuge des Eingriffs sehr häufig anatomisch normales Hirngewebe entfernt werden muss, um Zugang zu den darunterliegenden erkrankten Strukturen zu erhalten um die Epilepsie zu heilen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Matthias Simon, Direktor der Universitätsklinik für Neurochirurgie am EvKB in Bethel, die Methodik. Neurochirurgen können entscheidende Beiträge zur Hirnforschung leisten, weil man nur während einer Hirnoperation direkten Zugang zum lebenden menschlichen Gehirn und zu Nervenzellen hat. In der Neurochirurgie in Bethel werden jährlich rund 120 epilepsiechirurgische und 400 Hirntumoreingriffe durchgeführt.
Die Gewebeproben wurden mittels einer weiterentwickelten Patch Clamp-Technik (sogenannte Multipatch-Technik) analysiert, die es erlaubt, Kommunikation und Signalflüsse von bis zu zehn Nervenzellen gleichzeitig zu messen. Dabei werden gleichzeitig mehrere feinste Glaspipetten auf die Nervenzellen in der Gewebeprobe robotergestützt aufgesetzt und elektrische Ströme gemessen. Die Nervenzellen in den Gewebeproben müssen dazu im Labor für eine gewisse Zeit überleben. Insgesamt wurden bei etwa 1.170 Nervenzellen 7.200 Verbindungen untersucht.
„Beim Menschen fließen die Informationen anders als bei der Maus nicht in Schleifen, sondern vorrangig in eine Richtung“, erläutert Dr. Yangfan Peng von der Charité. Er ist der Erstautor der Veröffentlichung. Dass dieser vorwärts gerichtete Signalfluss Vorteile für die Informationsverarbeitung mit sich bringt, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch anhand von Computersimulationen belegen. Dabei wurden künstliche neuronale Netzwerke verglichen, die entweder den gerichteten Informationsfluss beim Menschen oder den Informationsfluss in Schleifen bei der Maus nachahmen. „Die gerichtete Netzwerk-Architektur beim Menschen ist leistungsfähiger und ressourcenschonender“, erklärt Yangfan Peng. Die Studie wurde jetzt in „Science“, einer der bedeutendsten internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften, veröffentlicht.
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