help+ Das Delir vermeiden
„Zu Hause ist mein Angehöriger ganz anders!"
Diesen Satz hören wir in unserem Klinikalltag immer wieder. Während eines Krankenhausaufenthalts kann es vorkommen, dass insbesondere ältere Patientinnen und Patienten plötzlich verwirrt sind und ein auffälliges oder ungewöhnliches Verhalten zeigen. In der Fachsprache wird dieser Verwirrtheitszustand Delir genannt. Früher als „Durchgangssyndrom“ verharmlost, ist heute klar, dass ein Delir eine schwerwiegende Komplikation während des Krankenhausaufenthalts darstellt und viele Risiken birgt. Gleichzeitig gibt es Möglichkeiten, das Delir von vornherein zu verhindern. Dafür setzen wir am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) seit 2012 erfolgreich das Programm help+ ein.
Informationen für Angehörige
Besuche von vertrauten Personen sind wertvoll und vermitteln Sicherheit. Versuchen Sie, die Besuche möglichst angenehm zu gestalten, Konflikte und Überanstrengung zu vermeiden. Zur Vorbeugung eines Delirs, aber auch für Menschen mit einem Delir, ist die Unterstützung durch Angehörige hilfreich.
Was können Angehörige tun, um einem Delir vorzubeugen?
Angehörige können aktiv dazu beitragen, Delirien zu vermeiden. Ein Krankenhausaufenthalt kommt für viele ältere Menschen oft unerwartet. Die Umgebung und die Abläufe sind ungewohnt. Durch altersbedingte Einschränkungen, wie zum Beispiel Hör- und Sehstörungen oder Gedächtnisprobleme, kann die Orientierung erschwert sein. Ängste und Stress können die Folge sein. In dieser Situation ist es hilfreich, wenn Angehörige Beistand leisten, unterstützen und ein Stück weit Normalität ermöglichen.
Empfehlungen
- Bringen Sie sämtliche Hilfsmittel mit ins Krankenhaus (z.B. Zahnprothese, Brille, Hörgeräte inkl. Batterien, Lupe).
- Achten Sie darauf, dass Hör- und Sehhilfen immer getragen werden. Sie erleichtern die Kommunikation und die Orientierung.
- Da ein Delir auch durch Medikamente oder durch nicht eingenommene Medikamente ausgelöst werden kann, bringen Sie einen aktuellen Medikationsplan (Liste aller Medikamente) mit ins Krankenhaus.
- Schaffen Sie eine ruhige und friedliche Atmosphäre während Ihres Besuchs. Verbringen Sie gemeinsame Zeit, indem Sie z.B. Gespräche führen oder Vorlesen.
- Unterstützen Sie die Orientierung, indem sie den Wochentag und die Tageszeit nennen. Bringen Sie eine Uhr für den Nachttisch mit. Informieren Sie über den Aufenthaltsort und die aktuelle Situation.
- Ausreichend Flüssigkeit und Nahrung ist wichtig, um einem Delir vorzubeugen. Manchmal fehlt Patientinnen und Patienten jedoch der Appetit oder das Essen und Trinken wird vergessen. Erinnern Sie daran und motivieren Sie zum Essen und Trinken, indem Sie z.B. das Glas füllen und ein Lieblingsgetränk anbieten. Oder aber Sie setzen sich bei der Mahlzeit dazu, wie Sie es vielleicht von zuhause gewohnt sind.
- Bringen Sie vertraute und persönliche Gegenstände (z.B. Fotos) von zuhause mit, die an das gewohnte Umfeld erinnern.
- Unterstützen Sie den Tag-Nacht-Rhythmus. Damit die Patienten nachts erholsam schlafen können, ist es hilfreich, wenn tagsüber ein gewisses Maß an Aktivität ermöglicht wird. Das können Sie unterstützen, indem Sie (wenn möglich) gemeinsame Spaziergänge. Oder Sie ermuntern zu einem Gesellschaftsspiel, was für geistige Anregung sorgt.
- Aktivität und Beschäftigung sind auch im Krankenhaus wichtig. Je nach persönlichen Interessen können Sie von zuhause z.B. Zeitungen, Zeitschriften, (Hör-)Bücher, Musik oder Handarbeitsmaterial mitbringen.
- Schenken Sie körperliche Zuwendung (z.B. Hand halten, in den Arm nehmen)
Sprechen Sie umgehend das Stationspersonal an, wenn Sie bemerken, dass Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige anders ist als zuhause, starke Schmerzen hat oder wenn es Hinweise auf eine akute Verwirrtheit gibt.
Was können Angehörige tun, wenn ein Delir aufgetreten ist?
Nicht immer lässt sich vermeiden, dass ein Delir auftritt. Dies ist sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen eine schwierige Situation und kann beängstigend sein. Das Erleben und das Verhalten von Personen, die ein Delir haben, ist verändert. Ein Delir kann zu Halluzinationen, Ängsten, Verkennungen, Wahn, Schläfrigkeit oder Unruhe führen. Die Betroffenen selbst spüren, dass etwas nicht stimmt, erleben den Zustand aber als real. Sie handeln teilweise auf eine nicht nachvollziehbare Art und Weise, sind aggressiv oder streitbar. Manche Patientinnen und Patienten erinnern sich später an den erlebten Verwirrtheitszustand und schämen sich vielleicht für ihr Verhalten. Hier können Gespräche (auch mit Fachpersonen) helfen, das Delir als Bestandteil einer überwundenen Krankheit zu betrachten.
Für vertraute Personen kann es verunsichernd und schmerzhaft sein, ihre Angehörigen in einem solch veränderten Zustand zu erleben. Es ist wichtig, den Betroffenen mit Geduld und Verständnis zu begegnen. Ihr Verhalten ist Ausdruck der akuten Erkrankung. Auch während des Delirs ist es für Angehörige möglich, die Betroffenen durch persönliche Zuwendung zu unterstützen. Besuche sind für verwirrte Patientinnen und Patienten von großer Bedeutung. Diese werden wahrgenommen, auch wenn sie sich später vielleicht nicht immer daran erinnern können.
Die Folgen eines Delirs sowie das Erleben und Verhalten von Patientinnen und Patienten im Delir sind individuell unterschiedlich. Manche Menschen zeigen ein extrem auffälliges, unruhiges Verhalten, andere sind größtenteils schläfrig und wirken abwesend. Deshalb können im Delir auch unterschiedliche Unterstützungsangebote hilfreich sein. Im Zweifelsfall sprechen Sie mit dem Stationspersonal, die dies gut einschätzen können. Alle Empfehlungen und Unterstützungsleistungen zur Vermeidung eines Delirs, die oben genannt wurden, sind auch während eines Delirs von Bedeutung. Achten Sie also immer auf das Tragen von Hör-und Sehhilfen und unterstützen Sie beim Essen und Trinken.
- Nehmen Sie sich Zeit und vermitteln Sie Sicherheit (z.B. durch Hand halten).
- Bieten Sie Orientierung (zeitlich, örtlich, situativ).
- Beharren Sie nicht darauf, wenn sich die Betroffenen in ihrer Wahrnehmung nicht korrigieren lassen. Sie selbst erleben den Zustand als real.
- Ermöglichen Sie Normalität und unterstützen Sie die Betroffenen dabei, sich zu entspannen.
- Gestalten Sie die Kommunikation möglichst einfach und verständlich (klare Sätze und einfache Ja-Nein-Fragen, ruhige Tonlage).
- Verletzende Aussagen und Aggressionen sollten Sie möglichst nicht persönlich zu nehmen.
Wenn Sie Fragen haben oder sich weitere Beratung wünschen, können Sie sich jederzeit gerne an das Team des help+ Programms wenden.
Kontakt
Evangelisches Klinikum Bethel
help+ Programm
Haus Burgblick
Bethesdaweg 10
33617 Bielefeld
Tel. 0521 772-79398 und -79399
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WDR 5: Das psychologische Radio
Delir – Operation gelungen, Patient verwirrt